Romgaz

Winter is coming…

Im März 2021 stolperte ich über den Fakt, dass Rumänien über einige durchaus ergiebige Erdgasvorkommen verfügt – sowohl an Land im sogenannten pannonischen Becken, aber auch in Küstennähe . Ich gebe zu, erstmal auf die Karte geschaut zu haben, um mich zu vergewissern, dass Rumänien tatsächlich einen Zugang zum Meer hat. Und wirklich – es ist zwar ein eher knapper Streifen am Schwarzen Meer – dafür jedoch ein geografischer Glücksgriff, denn innerhalb der rumänischen Wirtschaftszone liegt ein Erdgasvorkommen in der Größe von bis zu 200 Milliarden Kubikmetern. Das ist in jedem Fall genug für die rumänische Selbstversorgung über Jahrzehnte und sicherlich auch ein Export-Gut von strategischem Wert. Denn seit Jahren wächst in Europa ein Problem heran, dass in im kommenden Winter medial sehr präsent werden könnte.

Europa geht das Erdgas aus

Von 2009 bis 2019 sind die europäischen Erdgasfördermengen um 23% gesunken. Beispielhaft für die Problematik ist das Groninger Erdgasfeld – das größte der EU und das zehntgrößte auf der Welt. Die Niederlande mussten die Fördermenge in den vergangenen Jahren bereits um 25% reduzieren, um die Stadt Groningen (immerhin 200.000 Einwohner) vor Erdbeben zu schützen. Mittlerweile hat die niederländische Regierung ein kompletten Stop der Förderung ab Mitte 2022 beschlossen.

Auch in Norwegen sinken die Fördermengen, da große Vorkommen wie das Troll-Feld ihre Kapazitätsspitzen ausgereizt haben und neue Vorkommen nur noch extrem teuer erschlossen werden können.

Und damit zurück zur Societatea Națională de Gaze Naturale Romgaz SA Mediaș (wegen dieser Sperrigkeit nachfolgend einfach wieder Romgaz genannt). Es handelt sich dabei um einen privatisierten Erdgasproduzenten, der zu 70,01% dem rumänischen Staat gehört und seit 2013 an der Börse gehandelt wird.Romgaz ist auf die geologische Erkundung, die Förderung, Speicherung, Vermarktung und Lieferung von Erdgas und Erdgaskondensat spezialisiert.

Das Unternehmen ist der Hauptlieferant des Landes für Erdgas und für die Produktion von rund 40 % des gesamten Erdgasverbrauchs in Rumänien verantwortlich. Auch innerhalb Osteuropas gehört das Unternehmen damit zu den größten Produzenten – und zwar unabhängig von den versiegenden Feldern Nordeuropas.

Ende März habe ich den Titel ins Portfolio genommen – eigentlich, um meinen Anteil an Versorgern auszubauen. Obgleich das Unternehmen fundamental bereits sehr attraktiv aussah, gab der Kurs im Sommer noch einmal nach, als das Unternehmen einen im April ausgesetzten Vertrag endgültig aufkündigte, der die Errichtung des 430-MW-Gaskraftwerk zum Ziel hatte (Pressemeldung zur Kündigung des Vertrags). Da es sich für mich um eine Value- und Dividenden-Position handelt, habe ich den Kursrückgang genutzt, um meine Position Ende Juni nochmals auszubauen. Insgesamt nimmt die Position innerhalb meines Einzelwert-Portfolios damit aktuell einen Anteil von 3,1% ein.

Im weiteren Verlauf des Sommer kam es zu einer Entwicklung, die dieses Investment noch etwas interessanter gemacht hat – die zunehmenden diplomatischen Verwerfungen der EU bzw. Deutschland mit Russland. Um es mit den Worten der BILD zu umreißen:

ERDGAS-ERPRESSUNG WEGEN NORD STREAM 2
Lässt Putin uns im Winter frieren?
Keine Erdgas-Lieferung mehr über Polen nach Deutschland ++ Unsere Speicher sind schon halb leer ++ Preise auf Jahressicht schon vervierfacht

BILD, 06.08.2021

Ganz praktisch ist es so, dass über die Hälfte des Erdgases für Europa aus Russland kommt, Tendenz steigend. Inwieweit sich diplomatischen Streitigkeiten auf die Kursentwicklung auswirken, vermag ich nicht vorherzusagen – mit Blick auf den kommenden Winter dürfte es aber nicht zum Nachteil sein, hier eine Artgeopolitischen Hedge gegen kalte Wohnungen im Portfolio zu haben.
Entscheidend sind für mich aber weiterhin die fundamentalen Fakten und da haben wir eben:

  • ein schuldenfreies Unternehmen
  • mit einem PE-Ratio um die 10,
  • einer soliden Netto-Marge von mindestens 20% in den vergangenen Jahren,
  • einer Dividendenrendite von über 5.4% (bei einem Pay-Out Ratio von akzeptablen 57%),
  • dem Analysten einen Future ROE (3 Jahre) von 16% attestieren.

Einziger Schwachpunkt ist dass eher bescheidende Gewinnwachstum von etwa 3%. Für Versorger ist das nun nicht ungewöhnlich und im Prinzip ja auch im Sinne der Verbraucher, aber schön wäre natürlich schon, wenn das Unternehmen z.B. durch Exporte, neue Kraftwerke oder schlicht höhere Effizienz sein Wachstum ausbauen könnte.

Trotzdem denke ich, dass der Markt diesen Titel noch nicht so richtig entdeckt hat – was vermutlich auch daran liegt, dass viele Investoren Rumänien grundsätzlich nicht auf dem Schirm haben und die Aktie gerade bei Neo-Brokern nicht gehandelt werden kann.

WKN: WKN A1W7F9
ISIN: ROSNGNACNOR3

Quellen:

 

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