Haircut im Depot – mit Erfolg!
Hektische Depot-Manöver im ersten Quartal 2022
„Hin und her macht Taschen leer“, lautet der gängige Spruch. Aber was soll ich sagen? Es ging nicht anders. Ich habe mich geirrt, wie weit die US-Notenbank mit ihrem Wandel im Zinsregime kommt. In meinem Beitrag zum Jahreswechsel äußerte ich die These, dass der Basiszinssatz sich bis Ende 2022 bei maximal 1% bis 1,5% einpendeln wird. Diese Überzeugung rührte daher, dass der reale Gleichgewichtszins seit der Finanzkrise durch den fortschreitenden demographischen Wandel und steigende Verschuldung bei Staaten und Unternehmen eigentlich gesunken sein müsste. In der Folge könnten es sich die Notenbanken gar nicht leisten, die Zinsen anzuheben, ohne eine deutliche Rezession zu riskieren.
Vielleicht habe ich mit diesem Gedanken auch weiterhin recht, aber es spielt für die Notenbanken – insbesondere die FED – keine Rolle. Die US-Notenbank WILL den Kreditimpuls schwächen, sie WILL das Verbrauchervertrauen schwächen, sie WILL genügend Störsignale in den Markt senden, um die Kurse nach unten zu drücken. Alles, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Ich sehe dabei durchaus ein, dass das im Sinne der Verbraucher in unteren Einkommensschichten extrem wichtig ist.
Und vor allem gilt: Don’t fight the FED.
Seit meinem Jahresrückblick gab es also viele Veränderungen in meinem Portfolio. Temporär hatte ich mit Blick auf die galoppierende Inflation und Engpässe infolge Russlandsanktionen eine recht große Exposure gegenüber Rohstoffen und Minengesellschaften aufgebaut. Nach der FED-Sitzung und aufkommenden Rezessionssorgen habe ich auch diese Positionen wieder reduziert. Und selbst die hier besprochenen Titel wie der Global Medical REIT und Caterpillar sind Opfer des Haircuts geworden. Die durchschnittliche Haltedauer für Aktien in meine Depot ist damit auf 61 Tage gesunken, was die berechtigte Frage aufwirft: „Ist das noch Investieren oder ist das bereits Trading?“
Aber ganz ehrlich: Wer hatte – trotz aller Gebaren Putin’s – einen Einmarsch Russland’s in die Ukraine wirklich auf dem Zettel? Wer hatte auf dem Schirm, dass chinesische Wirtschaftszentren in 2022 nochmal in wochenlange Lockdowns gehen?
Ich denke, dass die Auswirkungen von diesen Ereignissen werden viel größer sein, als es aktuell noch den Anschein hat. In der Pandemie waren viele westliche Unternehmen bereit, gewisse Engpässe in den Lieferketten als zeitlich befristet einzustufen. Aber vor dem Hintergrund nun geschaffener Sanktionen für Russland und innenpolitisch motivierter Selbstverkrüppelungen der chinesischen Wirtschaft müsste den westlichen Unternehmen klar geworden sein, dass sie ihre Supply-Chain-Strategien neu denken müssen. Ganze Industrien, die der Westen gen Asien outgesourced hatte, werden in den kommenden Jahren zurückverlagert werden und damit gleichermassen Freude wie Leid verursachen: Auf der einen Seite werden durch die gewaltige transformative Investitionen Gewinnmargen abschmelzen, aber gleichzeitig werden einige „Ewig gestrige“, die noch immer in Europa oder den USA Produktionsstätten betrieben oder zumindest erhalten haben plötzlich zu sehr gefragten Lieferanten aufsteigen. Das birgt Chancen.
Zunächst mal gilt es jedoch das Depot für die Rezession zu wappnen.
Cash is King!
Glücklicherweise hatte ich Cash-Quote bereits zum Jahresende deutlich erhöht. Sicherlich hat das schlimmeres in meinem Depot verhindert. Einen Teil dieser Cash-Positionen halte ich übrigens in US-Dollar, Schweizer Franken, britischen Pfund und etwas Yen. Das ergibt sich einerseits aus dem Depot bei CapTrader (dort kauft man Aktien stets in der Währung, in der sie domiziliert sind), andererseits erschien es mir als Absicherung vor einer allzu kopflosen EU-Politik allgemein ganz sinnvoll.
Zum anderen habe ich versucht, speziell jene Positionen zu reduzieren, die angesichts längerfristig höhere Zinsen absehbar leiden werden. Das betraf insbesondere meine Mega-Trend-ETFs, aber auch Aktien mit höherer Schuldenlast oder anderen deutlichen Risikofaktoren.
Völlig unberührt bzw. etwas angewachsen sind dagegen meine Sachwert-Investitionen (dazu in Kürze ein erster erfreulicher Zwischenstand).
Ingesamt ergibt sich Stand heute folgende Portfolio-Gewichtung:
- Aktien: 40%
- Cash: 33%
- Sachwerte: 11%
- Gold: 6%
- ETFs: 3%
- Crypto: 2,5%
- Hedging: 2%
- Rohstoffe: 1,5%
- Anleihen: 1%
Da ich mir sehr viel Mühe mache, alle Veränderungen mittels Portfolio Performance genau zu erfassen, kann ich nun auch sehr genau sagen, was die Dauerrotation im Depot gebracht hat: Der Zickzack-Lauf hat sich durchaus gelohnt: Mittlerweile liegen knapp 8% Performance-Unterschied zwischen meiner Aktienauswahl und dem ACWI (von anderen Indizes, die es deutlich härter getroffen hat, ganz zu schweigen).
Nun aber zum Kern des Beitrags – dem aktuellen Depot: Welche Titel sind neu und was sind meine Prämissen für die Auswahl?
Ich werde mein Beuteschema zunächst mal mit sektoralen Überlegen und groben bewertungstechnischen umreißen. Anschließend liste den aktuellen Stand auf und anschließend findest Du noch einmal eine Liste, welche der bis zum Frühjahr gehaltenen Werte aus dem Depot geflogen sind (und welche Performance sie jeweils lieferten).
Machen wir uns also nichts vor: Aktuell ist der Aktienmarkt ein Minenfeld:
- Downside Surprises drohen! Der Rohstoffsektor hatten einen guten Lauf, Bewertungen sind nun aber vielfach ausgereizt und angesichts der bereits laufenden Rezession fast schon wieder riskant. Denn natürlich leiden auch die Minenbetreiber unter steigenden Lohn- und Energiekosten und viele Rohstoffpreise sind derzeit einfach deshalb so hoch, weil die Käufer sich sicherheitshalber mit Kontrakten eingedeckt haben. Aktuelle Bewertungen sind daher vielleicht irreführend attraktiv – es könnte im Rahmen der Rezession zu überraschenden Prognose-Revisionen kommen.
- Der Finanzsektor hat es zunächst schwer, denn in einer Rezession steigt das Risiko von Kreditausfällen und die Kreditvergabe lässt dementsprechend nach. Es lässt sich hier momentan schwer überblicken, wer daran in welchem Umfang zu knabbern hat.
- Der Industriesektor verkauft weniger, wenn die Kreditvergabe stockt – daher prinzipiell zu viel Risiko.
- Der Technologiesektor wird aktuell gleich von zwei Seiten in die Zange genommen: Einerseits sorgt der Zinsanstieg am kurzen Ende für einen größeren Abzinsungsfaktor und andererseits signalisieren stagnierende oder sogar bereits wieder sinkende Zinsen am langen Ende die Rezession und stellen damit das gewohnte Wachstum dieser Technologiewerte in Frage, da IT-Investitionen von Unternehmen in einer Rezession für gewöhnlich als erstes zusammengestrichen werden.
- Der Immobiliensektor befindet sich bereits seit Jahren in einer gewaltigen Blase, die Nachfrage lässt – auch hier spielt die sinkende Kreditvergabe eine wichtige Rolle – nach und wenn dann noch genügend Eigentümer in Schwierigkeiten geraten, ihre Raten zu bedienen, dann ist das Risiko einer Bewertungskorrektur im Umfeld einer demographischen Verknappung auch hier sehr real.
- Versorger sind grundsätzliche eine gute Idee in der Rezession, aber auch hier gilt es im aktuellen Umfeld genau zu prüfen, zu welchen Bedingungen sie ihre Leistungen selbst einkaufen. Wer russisches Gas verheizt, muss erstmal die Versorgungssicherheit sicherstellen. Regulatorische Risiken sind hier ebenfalls an der Tagesordnung.
- Gleiches gilt für Basiskonsumgüter – auch hier ist man in der Rezession normalerweise auf der sicheren Seite, aber steigende Rohstoffpreise bei allerhand Nahrungsmitteln und eine – verständlicherweise! – hohe Preissensibilität der Kunden kann auch hier die Margen erheblich mindern.
- Das Gesundheitswesen ist allgemein eine recht sichere Bank, solange die Unternehmen es bei der Preissetzung nicht völlig übertreiben und operativ effizient aufgestellt sind.
- Versicherungen können je nach Themenfeld sehr attraktiv sein – jedenfalls dann, wenn es sich um Anbieter in Bereichen handelt, in den die Kunden – komme was wolle – ihre Versicherung so lange wie möglich aufrecht erhalten wollen (Krankenversicherungen, KFZ- und andere Pflichtversicherungen).
- Und dann ist da natürlich noch die Energie, die in einer ausgewachsenen Rezession natürlich weniger gebraucht wird, aber eben doch stetig und vor allem aktuell auch aus neuen Quellen.
Es braucht also ausgewählte Unternehmen mit guter Bilanz, soliden Aussichten mit einem (idealerweise) großem Burggraben.
Sehr wichtig ist mir dabei gerade jetzt, dass „meine“ Unternehmen eine gesunde Nettomarge erzielen können. Die Nettomarge ist die Grundlage für einen gesunden Cashflow, der einerseits der Inflation Paroli bieten kann und andererseits genügend Raum für Forschung und Entwicklung, ggf. für Übernahmen und natürlich auch für zuverlässige Dividenden lassen. Grob über den Daumen gepeilt, schaue ich also, dass die avisierte Netto-Marge mindestens so groß wie die aktuelle Inflationserwartung ist. Eine hohe Netto-Marge ist meiner Erfahrung nach ein guter Hinweis auf ein effizientes Management des Unternehmens. Daneben gibt es eine Reihe weiterer fundamentaler Faktoren, die ich vor einem Investment prüfe: Hohe Eigenkapitalquote, ROE größer Inflation und so weiter. Die konkreten Werte unterscheiden sich je nach Sektor immer etwas, ich erläutere das daher lieber später nochmal im Detail für einzelne Unternehmen.
Und wie sieht das nun konkret aus? Werfen wir einen Blick in die Liste:
Und nun noch die Titel, den ich zumindest vorerst Lebewohl gesagt habe – aus Gründen der Transparenz auch hier mit einer Angabe der Verluste, die ich dabei zum Teil hinnehmen musste.
Titel | Abs. Perf. | Gründe / Ausblick |
---|---|---|
3M | -1.7% | Rechtsstreit |
About You | -7.2% | Geldpolitisches Umfeld |
Andritz | -6.5% | Rezessionsaussichten / Russland-Exposure unklar |
Caterpillar | 13.2% | Niedrige Eigenkapitalquote / Rezessionsaussichten |
Coterra | 17.5% | Ausstieg rückblickend zu früh / leider nun kein Schnäppchen mehr |
Danone | -3.4% | Überzeugung in Management verloren |
Emerson Electric | 9.4% | Rezessionsaussichten |
Enterprise Product Partner | 9.2% | Niedrige Eigenkapitalquote / Netto-Marge trotz gestiegener Öl-Preise niedrig |
FileCoin | -8% | NFTs zu sehr Hype-getrieben / Marktumfeld schlecht |
Gabelli Equity Trust Preferred Stock | 4.8% | Call-Ausübung seitens Emittent |
Gazprom Neft | -6% | Krieg / Russland |
Global Medical REIT | -0.2% | Geldpolitisches Umfeld negativ für diesen Titel / Risiko einer deutlichen Korrektur von Immobilienpreisen |
Intrepid Potash | 21% | Rebalancing zugunsten von Mosaic |
iShares Asia Property Yield (Acc) | 2.5% | Risiko einer deutlichen Korrektur von Immobilienpreisen |
iShares European Property Yield (Acc) | -6.2% | Risiko einer deutlichen Korrektur von Immobilienpreisen |
iShares Healthcare Innovation | -16.5% | Geldpolitisches Umfeld negativ / hohe Bewertungen |
iShares S&P U.S. Banks USD Acc | 0.6% | Sinkender Kreditimpuls / Kreditausfall-Risiken |
iShares US Property Yield (Dist) | -6.5% | Risiko einer deutlichen Korrektur von Immobilienpreisen |
Lang & Schwarz | -13.8% | Überzeugung in Management verloren / laufende Ermittlungen |
OHB | 1% | Netto-Marge zu gering / Eigenkapitalquote ausgereizt |
Romgaz | 11.9% | Aktie extrem illiquide / Schwarzes Meer Krisengebiet |
Sandvik | -9.4% | Rezessionsaussichten |
Universal Logistics Holding | 10.5% | Niedrige Eigenkapitalquote / Supply-Chain-Störungen |
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